20 Minutes with Kunst100

Fair und freundlich aus Berlin

Kunst100 ist eine Online/Offline-Kunstgalerie, die für echte Kunst von echten Künstler:innen steht. Sie bieten nur Unikate oder limitierte Auflagen von maximal 100 Drucken an und legen großen Wert darauf, die Kunstwerke und Künstler persönlich kennenzulernen und auszuwählen. Wir sprachen mit den Gründerinnen und Geschäftsführerinnen Lila und Lisa über den emotionalen Wert von Kunst, Barrieren und wie sie es geschafft haben, eine erfolgreiche Online-Community aufzubauen.

Nele Tüch: Was war euer erstes selbst gekauftes Kunstwerk?

Lila: Eine kleine Leinwand (22x29, 2014 gekauft) mit viel Acrylfarbe. Das Werk stellt ein Gekko-Taxi dar und könnte mit folgenden drei Wörtern beschrieben werden: Strotzig, Fröhlich, Transformation. Ich hatte leider bis heute keinen persönlichen Kontakt zu dem Menschen, der diese Leinwand kreiert hat, aber in dem Moment als ich sie sah, war mir klar, dass sie zu mir gehört. Ohne dass ich genau erklären kann warum spiegelte sie meinen emotionalen Zustand zu 100% wider. Es war das erste Mal, dass ich eine figurative Malerei “verstand”.


Lisa: Mein erstes Kunstwerk habe ich tatsächlich von Lila gekauft. Ich erinnere mich noch besonders gut daran, da es nicht nur unser erstes Treffen war sondern weil die Idee für Kunst100 auch damals entstand. Zu dieser Zeit betrieb Lila eine kleine Galerie am Görlitzer Park und stellte junge Künstler:innen aus. Ich war nur zu Besuch in Berlin und war unglaublich neugierig die jungen Kunstwerke zu sehen. Das Werk in das ich mich auf Anhieb verliebt hatte, ist eine Collage von Lara Minerva. Das Motiv zeigt Hände, die etwas kleines, funkelndes und kostbares halten. Fast so etwas wie ein kleiner Schatz oder Sinn der gefunden wurde. In dem Moment habe ich mich davon angesprochen gefühlt, weil ich selber noch auf der Suche nach dem richtigen Weg für mich war. Ich war am Ende meines Studiums und etwas planlos. Für mich symbolisiert das Bild die Entstehung unserer Idee von der Online Galerie.

 

NT: Ihr haltet nicht viel von Kunst als Investment, sie soll einen emotionalen Wert haben. Welche Werke sind für euch persönlich besonders wichtig?

Lila: Für mich gilt der Grundsatz jedes Werk auf dieser Welt ist wichtig und ich habe die Aufgabe zu verstehen warum. Entweder weil es die/den Betrachter:in an ein Gefühl oder eine Situation erinnert. Oder weil die/der Erschaffer:in während der Kreation ein gesellschaftliches oder privates Thema verarbeitet. Zum Beispiel: Das Werk Prey von Till Langschied bedeutet für mich Ruhe und Erhabenheit über das eigene lästige Ego. Wenn ich bei meinem morgendlichen Tee wieder zu verzweifelte oder zu stolze Gedanken habe. Habe ich die Chance mich wieder emotional zu leveln in dem ich mir das Werk anschaue. Der Untertassen-Heiligenschein auf Styropor lässt mich über mich selbst schmunzeln und die Dreiecksform des Styropor-Berges lässt mich tief Ein- und Ausatmen. Zudem kenne ich die sehr inspirierende Geschichte des Künstlers, die durch das Werk zu mir spricht. Es ist dann als würde Till neben mir stehen und ein Lied von Celine Dion singen.

Lisa: Ich glaube Kunst kann durchaus auch ein Investment darstellen aber es sollte nicht darauf reduziert werden. Kunst nur als Wertanlage zu begreifen reduziert diese nur auf eine Art Ware. Dabei kann Kunst so viel mehr sein. Deshalb kann man den Begriff Investment auch anders auslegen und mit Kunst ein Investment für sich verstehen. Die Kunstwerke die ich Zuhause habe sind alle nicht teuer aber trotzdem sehr wertvoll für mich. Dazu gehört ein Werk von Christoph Thormann welches ich zu meinem 30. Geburtstag bekommen habe und mich ewig an diesen tollen Tag und die Feier erinnern wird. Oder auch eine Schwarz-Weiß Fotografie von Maria Jatzlau, die ein Mädchen und einen Hund zeigt und mich im Home Office täglich zum schmunzeln bringt.

 

NT: Ich bin mir sicher, dass es schon ähnliche Projekte, wie Kunst100 gab, die echte Kunst zu erschwinglichen Preisen anbieten. Warum hat sich das Konzept bisher nicht durchgesetzt?

Wir würden nicht direkt sagen, dass sich das Konzept NICHT durchgesetzt hat, denn sonst würde es uns wahrscheinlich auch nicht mehr geben (haha). Es gibt nur zu wenige von uns. Menschen sehen in Kunst immer noch eine Barriere, weil sie eben oft als elitär und exklusiv verkauft wird, dies geht einher mit Ängsten Galerien zu betreten oder in einen offenen Austausch mit Kunst und Künstler:innen zu gehen.

Des Weiteren braucht es einen langen Atem. Ein Kunst Start-Up baut sich nicht von Heute zu Morgen auf. Dazu gehören so viele interne Prozesse, die für die Kund:innen meist gar nicht sichtbar sind. Künstler:innen müssen akquiriert, Netzwerke aufgebaut, Software entwickelt und Markenkommunikation betrieben werden. Nebenbei muss genug Kraft und Mut aufgebracht werden das eigene Konzept stetig zu rechtfertigen und auszubauen. Den Markt anders zu denken erfordert viel Pionierarbeit. Den meisten Menschen müssen wir die neue Perspektive auf die Kunst erst erklären. Nachdem allerdings das erste echte Kunstwerk neben dem IKEA Poster hängt, kommen die Kund:innen auf den Geschmack und kommen immer wieder. Die Kund:innen werden zu richtigen Kunstsammler:innen und Kulturunterstützer:innen. Auch die Künstler:innen erleben ein empowerment und geben der Galerie viel zurück. Wir haben verstanden, dass eine gute Kommunikation zwischen Kund:innen, Künstler:innen und Galerie der Schlüssel ist.

 

NT: Ihr habt 2019 ein sechsstelliges Investment erhalten. Was stellt man mit so viel Geld an?

Da wir vorrangig im E-Commerce Bereich tätig sind, ist viel Geld in den technischen Bereich geflossen.

 

NT: Ist Kunst100 nur der erste Schritt für viele Künstler*innen um später in größeren Galerien zu hängen und vor allem teurere Werke zu verkaufen?

Kunst100 ist oft der erste Schritt für unsere Künstler:innen mehr mediale Aufmerksamkeit zu erfahren und somit auch das Interesse anderer Galerien auf sich zu lenken. Dies hat schon in vielen Fällen erfolgreich geklappt: MISA von der Galerie König, Good Gallery, Art She Says.

 

NT: Auch ihr musstet euch an die Lockdowns anpassen und habt daher Online Ausstellungen gemacht. Wie geht es nun weiter, wo sich die Beschränkungen nun deutlich lockern?

Die ganze Corona bedingte ScreenZeit erhöht die Sehnsucht nach Menschen, Kommunikation und dem echten Leben und wie immer auch nach erlebbarer und anfassbarer Kultur. Für diese Sehnsucht bieten wir neben unserer Online Galerie immer wieder im Jahr die Möglichkeit uns persönlich in Berlin zu treffen. Hierzu zählen 1:1 Besuche in der Galerie oder Ausstellungen.

NT: Dass 2020 Museen geschlossen wurden, war für mich wirklich unverständlich. Man hat genügend Platz, eine Maske auf und in jedem Raum kontrolliert sowieso eine Person, dass die Werke nicht angefasst werden dürfen. Was denkt ihr, wie die Kultur-Branche post-Corona aussehen wird?

Eine mega spannende und wichtige Frage. Corona ist/war für die Kunst- und Kulturszene wirklich ein heftiges Jahr mit einem bitteren Beigeschmack aufgrund von zu wenig Fördermitteln und ewigen langen bürokratischen Warteschleifen. Jedoch könnten wir uns vorstellen, dass es auch viel mit der Vermarktungskreativität der Branche gemacht hat. Man musste sich plötzlich anders positionieren beziehungsweise medial zeigen “Ey, uns gibt es noch!”. Viele Museen und Galerien sind digitaler geworden, haben online Rundgänge angebote oder spannende Interviews mit Künstler:innen über Instagram. Wir könnten uns also vorstellen, dass diese Branche zu einem Hybriden zwischen analogen & digitalen Erlebnissen wird.

 

NT: Ihr habt 18k Follower*innen auf Instagram, spiegelt sich diese Zahl in den Sales wider oder wollen die Leute sich gerne kostenlos mit schönem Content berieseln lassen?

Instagram spielt für uns eine große Rolle, da es mittlerweile zu unseren Verkaufsplattformen gehört. Die 18K Follower:innen konnten wir uns seit letztem Jahr März komplett organisch aufbauen. Guter und wertvoller Content ist der erste Schritt in Richtung Kauf. Des Weiteren bietet uns Instagram die Möglichkeit, die Geschichten hinter den Werken sowie die Künstler:innen visuell zugänglich zu machen. Gleichzeitig können wir unsere Follower täglich mit in die Galerie nehmen und ihnen unseren Alltag zeigen. Und natürlich: Sie hautnah Kunst erleben lassen.

 

NT: Ihr strebt es an mehrere 100 Werke im Monat zu verkaufen, wie weit seid ihr mittlerweile und würde das rein von der Anzahl der Werke auf dem jetzigen Stand überhaupt funktionieren?

Ja, um eine hohe Fluktuation an Werken zu gewährleisten mussten wir viele Prozesse einer konventionellen Galerie modernisieren und optimieren. Unser Ziel war es den Charm bei einer erhöhten Anzahl an individuellen Werken nicht zu verlieren. Wir haben das monatliche Ziel schon oft geschafft. Hier lag der Schlüssel mal wieder in der Kommunikation, denn wir stellen nun täglich neue Kunstwerke vor, aber das darf unsere Besucher:innen auch nicht überfordern. Durschnittlich bieten wir momentan 400 Werke zur gleichen Zeit an. Da wir aber immer viele Unikate Werke mit im Portfolio haben verändert sich unser Portfolio täglich.

NT: Was bedeutet Freiraum für euch und wo könnt ihr ihn finden?

Freiraum bedeutet für uns: Sich frei entfalten zu können... dass man lieben kann, wenn man will… dass man tragen kann, was man will... dass man sein kann, wer man möchte, ohne jemanden Rechenschaft ablegen zu müssen.

Freiraum gibt es für uns vor allem am Meer, mit einer großen Schüssel Pasta und einem Glas Rotwein, ganz ungestört und in vollkommener Akzeptanz mit uns selbst.