20 Minutes with Nele Tüch

Die Modejournalistin über die richtige Berufswahl, die Work-Life-Balance und Zukunftsträume

Schon im frühen Kindesalter werden wir gefragt, wer wir werden möchten, wenn wir “erwachsen” sind. Die Gesellschaft gibt seit Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten, vor, welche Berufe von wem ergriffen werden können und welche als Tabu gelten. Sei es Bergarbeiterinnen, Manny’s (männliche Nanny’s), oder viel zu junge Geschäftsführer*innen und Senator*innen – und wenn man als Student*in älter ist als 35, wird man eh von der (Party-)Liste gestrichen.

Heutzutage ist es auf der Suche nach dem richtigen Beruf in Punkto “gehört sich das denn?” für alle etwas einfacher. Gleichzeitig wird die Berufswahl deutlich schwieriger, da die Auswahl an Berufen von Jahr zu Jahr steigt.

Wusstest Du schon als Kind, was du werden möchtest? Oder wurden deine professionellen Entscheidungen von Zeit und Erfahrungen geprägt? Vielleicht war ein Aha-Moment im Spiel?

Über die Themen Karriere-Wahl, Zukunftsträume, und was tun für die besagte Work-Life-Balance, haben wir mit Nele Tüch gesprochen. Die Modejournalistin verrät, was Einfluss auf ihren Berufswahl hatte, was Sie im Laufe der Jahre gelernt hat, um ein besseres Selbstwertgefühl aufzubauen und wieso Accessoires ihre absolute Must-Haves sind.

Foto by Nina Raasch

Angela Mika: Nele, wir kennen uns schon einige Zeit: Gibt es Themen, neben Deiner Leidenschaft für nachhaltige Mode und Felder wie Female Empowerment und sexuelle Freiheit, die dein Herz höher schlagen lassen und über die du gerne schreibst?

Nele Tüch: Mein absolut liebstes Thema dreht sich tatsächlich um Gender- und Männlichkeits-Theorien. Ich hab meine Master-Arbeit über die “Feministische Dekonstruktion der Idee des männlichen Privilegs” geschrieben. Das klingt jetzt erst einmal abstrakt, aber in erster Linie geht es darum zu zeigen, dass Frauen* zwar gesellschaftlich benachteiligt sind, aber dass auf ihnen der gleiche gesellschaftliche Druck, wie auf Männern liegt, dem Konstrukt der “Männlichkeit” gerecht zu werden. Darüber würde ich gerne irgendwann ein Buch schreiben.

 

Angela Mika: Wusstest du schon als Kind, dass du im Bereich Journalismus und Mode arbeiten möchtest? Oder hattest du vollkommen andere Träume und Pläne?

Nele Tüch: Überhaupt gar nicht: Eigentlich wollte ich immer Synchron-Sprecherin für Hörspiele werden, weil ich ein so großer ‘Drei ???’ Fan war – und auch immer noch bin. Irgendwann wollte ich dann, dank ‘Grey’s Anatomy’, Neurochirurgin werden. Bis ich dann mit meiner Oma ‘Das perfekte Dinner’ gesehen habe. In der Folge hat eine Studentin gekocht, die Modejournalismus und Medienkommunikation in Hamburg studiert hat. Das ist es dann geworden. Lustigerweise scheine ich in meiner Berufswahl extrem von Medien beeinflusst worden zu sein. Jetzt mach ich selbst “was mit Medien”.

 

Angela Mika: Wie hat Deine Karriere angefangen? Muss man bestimmte Anforderungen erfüllen, um in deinem Bereich zu arbeiten? Wenn ja, welche?

Nele Tüch: Ich habe, wie oben erwähnt, Modejournalismus und Medienkommunikation studiert. Das Studium ist super praktisch, dadurch habe ich einige Tools mit an die Hand bekommen. Es gibt, zum Beispiel, bestimmte journalistische Regeln, die man sich aneignen kann: Keine Dopplungen, kaum Füllwörter, etc. Aber man braucht kein Studium um in dem Bereich zu arbeiten, in dem ich gelandet bin – man braucht Erfahrungen und Kontakte. Am besten startet man irgendwo mit einem Praktikum und arbeitet sich dann nach oben.

Gleichzeitig sollte man immer nett und respektvoll sein und netzwerken. Man weiß nie, wann man eine Person wieder trifft und ob sie nicht noch wichtig für dein Leben werden kann. Ich habe tatsächlich jeden einzelnen Job, den ich je hatte, durch Kontakte bekommen (außer mein erstes Praktikum) und bin nie durch normale Bewerbungsverfahren gelaufen. What goes around, comes around ;)

Angela Mika: Work-Life-Balance ist eines der wichtigsten Themen des 21. Jahrhunderts. Auch über Themen wie ‘Self-Expression’, ‘Higher Meaning’ und ‘Mental Health’ wird sehr viel gesprochen. Was würdest du, in dem Kontext, anderen und vielleicht auch Dir selbst raten?

Nele Tüch: Ich bin definitiv nicht die ideale Person, um über dieses Thema zu referieren. In der Theorie weiß ich was richtig für mich und meine mentale Gesundheit ist, ich befolge meine eigenen Ratschläge aber selbst kaum…  

Was ich tatsächlich immer mache, ist zugeben, wann ich etwas kann und wann nicht. Nach Hilfe fragen und offen Schwächen eingestehen ist super wichtig. Sonst lernt man nicht und macht sich unnötigen Stress. Außerdem verkaufe ich mich nicht mehr unter Wert und mache kaum bis keine unbezahlten Überstunden. Diese Work-Hard-Play-Hard Mentalität, gerade in Berlin oder anderen Großstädten, geht mir unglaublich auf die Nerven. Ich muss nicht darauf stolz sein, ausgebeutet zu werden. Lasst uns lieber für uns einstehen. Man ist kreativer, wenn man sich zwischendurch mal eine Auszeit gönnt.

Und was ich noch lernen muss: Freie Projekte absagen. Als Freelancerin muss man immer schauen, wo das Geld und das nächste Projekt herkommen, um über die Runden zu kommen. Daher nehme ich immer alle Projekte an, auch wenn sie eigentlich zu viel für mich sind. So gehen Wochenenden und Feierabende drauf und damit auch die mentale Gesundheit.

 

Angela Mika: Wer möchtest du sein, wenn du “erwachsen” bist? Oft höre ich, dass man sich gerade Anfang 30 diese Frage stellen sollte. Man hat schon einiges erlebt und kann das Leben und die Gesellschaft besser einschätzen. Wir wissen, was uns liegt und was wir nicht so gern mögen. Unser Berufsleben hat gerade erst angefangen. Denkst du, dass es bei dir auch große Veränderung geben wird?

Nele Tüch: Ich hab noch ein paar Jahre bis ich überhaupt Anfang 30 bin, und mir diese Frage ganz konkret stellen werde. Aber klar, es gibt Dinge, die ich gerne erreichen würde: Ich will das erwähnte Buch schreiben und veröffentlichen, ich will meine eigene Swimwear Marke auf den Markt bringen, ich will mehr an Produktionen arbeiten und eigentlich will ich weiterhin frei für Magazine und Zeitungen schreiben. Eventuell kommt dann noch eine Familie und ein Haus auf Sizilien oder eine Wohnung in Rom in den Mix – wir werden sehen. Aber was ich bisher gelernt habe, ist, dass es eh nie so kommt, wie man es sich vorstellt. Ich dachte ursprünglich, dass ich Redakteurin für das ZEIT Magazin werden würde, und jetzt bin ich plötzlich Social Media Expertin. Ich habe keine Ahnung, wie das passiert ist ;)

 

Angela Mika: Und zu guter Letzt eine kleines This or That: Ein Outfit und hunderte Accessoires oder viele Kleidungsstücke und nur ein Accessoire? Urlaub am Strand in Italien oder Wandern im Schwarzwald? Bier oder ein Glas Wein? Pizza oder Pasta?

Nele Tüch: Definitiv Urlaub in Italien – ich bin eher ein Städtetrip-Mensch, aber Strand ist auch super. Easy: Bier! Ganz klar: Pizza – aber die richtige, neapolitanische.

Die erste Frage fällt mir schon schwerer zu beantworten. Beide Szenarien haben Vor- und Nachteile, aber ich würde das eine Outfit und die hundert Accessoires nehmen. Ich liebe meine Ringe, die ich überall auf der ganzen Welt auf verschiedenen Flohmärkten und in Antiquitäten-Shops gekauft habe. Sie haben einen sehr großen emotionalen Wert für mich – ohne könnte ich nur schlecht. Außerdem können Schuhe und Taschen ein Outfit ganz einfach vom Büro-Look zum Event-Style updaten.