20 Minutes with Bettina Krieg

Die Berliner Künstlerin über Lockdown-Rituale, künstlerische Entwicklung
und neue Projekte

Der Lockdown hat nicht nur große Auswirkungen auf die Gastro- oder Tourismusszene, besonders hat er auch den Kulturbereich getroffen – ob Museen, Theater, Konzertsäle; ob Künstler*innen, Schauspieler*innen, Musiker*innen. Als Rettungsmaßnahme wurde der Kulturbetrieb ans digitale Zeitalter angepasst. Was aber, wenn Emotionen online nicht vermittelbar sind? Was wenn ein Foto einer deckenhohen Leinwand auf einem 13 Zoll Screen gezeigt wird? Und was wenn Werke von ihrer Beschaffenheit bestimmt werden?

Bettina Krieg hat einen Weg gefunden ihre abgesagte Solo Ausstellung so nah wie möglich an die Menschen zu bringen. Mit ihrem Projekt "Lockdown Diaries – Exhibition in a Box" kommen ihre Zeichnungen zu uns nach Hause. Die limitierte Edition enthält drei original Kunstdrucke, einen Katalog, ein Interview mit der Kunsthistorikerin Julia Rosenbaum, Portrait- und Studiobilder von Timmy Hargesheimer (s. Bilder), einen QR-Code für eine Augmented Reality Experience, acht Postkarten und eine persönliche Botschaft. Mit diesem Set hat es die Künstlerin geschafft auch in Lockdown-Zeiten immersiv, relevant und vor allem greifbar zu sein.

Bettina Krieg ist die Berliner Künstlerin, die ihre Arbeiten wie Strömungen aussehen lässt. Wir denken an Wind, an Luft, an Wasser und an Schallwellen. Ihre Zeichnungen wirken wie die unsichtbaren Bewegungen der Elemente. Als Künstlerin hat sie schon immer die Struktur der Dinge interessiert und so angefangen ein Foto-Archiv aufzubauen, Impressionen zu sammeln und detailliert-abstrakte Studien anzufertigen. In ihrem Stil ist sich Bettina treu geblieben, verändert hat er sich trotzdem. Ihre aktuellen Arbeiten fühlen sich freier und intuitiver an, als ihre künstlerischen Anfänge. Wir haben mit ihr über die Entwicklung ihrer Bildsprache, über das Zugänglichkeitsproblem der Kunstbranche, und über Lockdown Rituale gesprochen.

Nele Tüch: Deine Werke sind oft sehr filigran und detailliert: Wie lange brauchst du etwa für eine Zeichnung?
Bettina Krieg: Das hängt hauptsächlich mit der Größe zusammen – bei kleineren brauche ich zwei bis drei Stunden, bei größeren kann es schon mal mehrere Wochen dauern.

 

NT: Du hast mit einem Foto-Archiv und darauf basierenden filigranen Zeichnungen angefangen, mittlerweile wirken deine Werke viel intuitiver und emotionaler. Was hat sich seit deinen Anfängen als Künstlerin geändert?
Bettina Krieg: Intuition hat von Anfang an in meinen Werken eine große Rolle gespielt. Von der Auswahl der Motive bis hin zur Kombination und Verschmelzung der einzelnen Fragmente. Auch damals hatten die Arbeiten etwas Organisches. In meinen früheren Werken ging es mir um komplexe Strukturen und darum deren Aufbau zu verstehen, auf Papier zu übertragen und abzuwandeln, um daraus einen Organismus mit eigenen Gesetzmäßigkeiten hervorzubringen. Das Sehen und Verstehen lag dabei mehr im Vordergrund – jetzt geht es vielleicht mehr um das Fühlen.

 

NT: Die Kunst-Szene hat ein Zugänglichkeitsproblem: Viele Menschen, die sich gerne mit dem Thema auseinandersetzen wollen, haben entweder das Geld nicht, oder fühlen sich, als dürften sie nicht mitreden. Wie baut man diese Hemmungen am besten ab?
Bettina Krieg: Ich habe das Gefühl, das besonders die Art wie über Kunst gesprochen wird dazu führt dass andere ausgeschlossen werden. Es ist mir wichtig, dass meine Kunst die Menschen direkt anspricht und sie nicht das Gefühl haben, von diesem Erlebnis ausgeschlossen zu sein.

NT: Du musstest wegen der Pandemie deine geplante Solo-Ausstellung absagen. Dafür veröffentlichst du nun deine “Exhibitions in a Box”. Wie sehr hat dich der Lockdown als Künstlerin beeinflusst?
Bettina Krieg: Der Lockdown hat viele neue Herausforderungen mit sich gebracht und mich dazu eingeladen umzudenken und nach neuen Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Die Idee zu „Exhibition in a Box“ kam mir, als ich darüber nachdachte, was ich tun kann um meine Arbeit zu den Menschen zu bringen – in einer Zeit in der es schwierig ist eine Ausstellung zu besuchen. Ich wollte etwas persöhnliches machen, fern ab von Online-Ausstellungen. Die Menschen sollten etwas in ihren Händen halten können.

 

NT: Hast du während des Lockdowns neue Angewohnheiten adaptiert?
Bettina Krieg: Ich habe begonnen, meinen ersten Kaffee am Morgen im Bett oder auf dem Balkon zu trinken und nicht wie sonst draußen im Café. Eine Angewohnheit, die ich sehr genieße und auf die ich mich schon beim Einschlafen freue. Ich habe wieder begonnen Tagebuch zu schreiben, mehr zu lesen und mich am täglichen Kochen zu erfreuen. Ich habe außerdem wieder mehr Muße beim Zeichnen gefunden und bin sehr produktiv.

 

NT: Worauf freust du dich am meisten, wenn der Lockdown zu Ende ist?
Bettina Krieg: Am meisten freue ich mich darauf wieder für Freunde kochen und mit ihnen an einem großen Tisch sitzen zu können, auf Reisen zu gehen und Wein in einer Bar zu trinken.

Außerdem freue ich mich darauf nicht mehr ständig auf den Abstand achten zu müssen, in Sorge jemanden anzustecken.

NT: Ein Buch, was dich und dein künstlerisches Schaffen geprägt haben?
Bettina Krieg: Ich kann nicht genau sagen welche Bücher mein künstlerisches Schaffen geprägt haben. Aber das letzte Buch, das mich sehr fasziniert hat, war „Schreibtisch mit Aussicht“ von Ilka Piepgras.

 

NT: Deine Berlin-Tipps – ob Restaurants, Take-Away, Kunst, Kultur…
Bettina Krieg: Die Bäckerei Albatross in Kreuzberg. Das italienische Restaurant Caligari in Neukölln, den Newsletter von Office Impart mit super Tips für Ausstellungen und ähnliches.

 

NT: Persönlicher Freiraum – Was bedeutet es für dich und wo kannst du ihn finden?
Bettina Krieg: Bei meiner Arbeit im Atelier und draußen beim Renovieren meiner Scheune auf dem Land.

All images via Timmy Hargesheimer